Abt Thomas Schenklin von Wil (1714 – 1734)


Abtbuch-Eintrag
Thomas Schenklin von Wil (1714-34). Am 13. September 1714 versammelten sich 49 Kapitularen zur Abtswahl, die auf den erst 33jährigen P. Thomas Schenklin fiel. Dieser war den 24. Juni 1681 als Sohn des fürstäbtlichen Kanzlers von St. Gallen, Johann Jakob Schenklin von Wil, in Rorschach geboren worden. Aus seiner Familie waren bereits zwei Äbte hervorgegangen, Abt Albrecht von Alt St. Johann im Thurtal (1411-16) und Abt Markus Schenklin von Fischingen (1540 bis 1553). Schon am 8. Juni 1696 wollte Schenklin in Einsiedeln eintreten, aber da er erst an die Klosterschule gekommen war, hieß man ihn noch ein Jahr warten. Nach Ablauf dieses Jahres nahm man ihn ins Noviziat auf, unter der Bedingung, daß er eine genügende Aussteuer mitbringe. Er erhielt von Hause 400 Taler als Erbe zugesichert. Am 8. Dezember 1698 legte er als erster unter Abt Maurus seine Gelübde ab. Schon im Oktober 1700 erkrankte er sehr schwer an der Kolik, genas aber wieder. Den 23. Dezember 1702 empfing er die Subdiakonatsweihe, den 22. September 1703 das Diakonat und am 28. März 1705 die hl. Priesterweihe.
Abt Maurus sandte den jungen Pater den 18. Oktober 1706 nach Bellenz, wo er Philosophie dozieren sollte. Im November 1709 wurde er heimberufen, um hier den Klerikern Unterricht in Philosophie und Theologie zu geben. Am 10. April 1711 wurde er Kapitelssekretär und nicht lange Zeit vor seiner Abtswahl Subprior und Fraterinstruktor. Zur Zeit des Toggenburgerkrieges verwandte ihn Abt Maurus zu verschiedenen Sendungen.
Der neugewählte Abt empfing den 23. März 1716 von Kaiser Karl VI. die Regalien. Derselbe Kaiser bestätigte am 30. April 1720 die Privilegien des Gotteshauses.
Das Haupterbe, das Abt Thomas antrat, war der noch nicht vollendete Stiftsbau. Es galt zunächst dessen Weiterführung und Vollendung. Noch im gleichen Herbst, da er an die Regierung kam, ließ er am Hof eine Reihe von Räumen ausmachen. Den im gleichen Jahre begonnenen Fraterstock, den Mitteltrakt, von der Kirche bis zum östlichen Flügel hin, brachte man 1715 unter Dach. In diesem und dem folgenden Jahre erstellte man den nördlichen Flügel fertig, dessen Abschluß, der nordwestliche Eckpavillon 1716 bedacht wurde. Der innere Ausbau dieses Eckpavillons, sowie der der Bibliothek und des Stiegenhavises bei St. Joseph (so hieß das heutige Hauptstiegenhaus im nördlichen Flügel) wurde 1717 durchgeführt. Mit Ausnahme des nördlichen Halbflügels stand 1718 der Stiftsbau vollendet da; diesen Halbflügel baute man nicht, weil dort der alte Friedhof lag und die Beichtkirche selbst eine schöne sandsteinbehauene Fassade aufwies. Erst fast dreißig Jahre später sollte auch dieser Teil, ohne den der gewaltige Bau ein Torso geblieben wäre, aufgeführt werden.
Sogleich trat aber die Frage des Kirchenbaues in den Vordergrund. Schon Abt Augustin hatte im Jahre vor seinem Tode daran gedacht und bereits Vorbereitungen getroffen. Aber das Kapitel fürchtete die Schuldenlast und glaubte, daß man besser zuerst für das Konvent sorgen würde. Abt Maurus hatte diesen Gedanken durchgeführt, aber dabei von Anfang an den Bau einer Kirche miteinbezogen, wie die noch erhaltenen Pläne und Kupferstiche zeigen. Am 9. März 1719 befragte der Abt das Kapitel, das mit dem Neubau umso eher einverstanden war, als der leitende Architekt, Bruder Kaspar, bereits älter war und kränkelte. So wurde denn mit Rueff ein neuer Vertrag abgeschlossen. Man begann im gleichen Jahre mit den Arbeiten am südlichen Turme und erstellte auch die anstoßende Seitenmauer des Oktogons; im folgenden Jahre legte man die Fundamente zur Fassade, dem nördlichen Turm und der anschließenden Seitenmauer. Die Schwierigkeiten waren besonders auf der Südseite sehr große, da dort das Terrain infolge von Quellen sehr unsicher war. Erst 1721, den 16. April, begann man mit der Niederlegung des alten Münsters, was in dem Maße erfolgte, als der Neubau fortschritt, sodaß der Gottesdienst nicht allzusehr behindert wurde. Am 20. Juli dieses Jahres, dem Einsiedlerfest, fand die feierliche Grundsteinlegung durch den Abt statt. Das Stift zählte damals 49 Priester, 7 Kleriker, 12 Laienbrüder und 5 Novizen. 1722 wurden die beiden Glockentürme abgetragen; mit dem Abbruch des obern Münsters begann man aber erst 1724. Die Fassade und das Oktogon stunden Ende 1723 vollendet da. Im folgenden Jahre begann man mit dem Aufbau des Mittelschiffes. Schon am 9. August 1723 hatte man sich beraten, ob man den im Plan vorgesehenen Kuppelbau ausführen wolle oder nicht. Die hohen Auslagen, sowie das für einen Kuppelbau ungünstige Klima legten aber nahe, von einem solchen abzusehen und statt dessen ein Kuppelgewölbe aufzuführen, das nur mit seiner Laterne das Dach durchbrach. Ende 1725 war der Anschluß an das Chor fertig erstellt. Auch die Türme gediehen 1726 zur Vollendung, sodaß im Oktober die Glocken aufgezogen werden konnten. Damit war die Kirche in ihrem Äußern fertig. Der Architekt derselben, Br. Kaspar Mosbrugger, sollte ihre Vollendung nicht mehr erleben; er starb den 26. August 1723 und wurde mit großen Ehren bestattet. An seine Stelle trat Br. Thomas Meyer, der ein tüchtiger Steinmetz und Bildschnitzer und - Koch war. Aber auch Abt Thomas sollte die Einweihung der Kirche nicht mehr erleben, denn die innere Ausstattung, die er mit großem Geschick an die Hand nahm, zog sich noch jahrelang hin. Schon am 19. Februar 1724 hatte der Abt mit Aegidius Asam, einem der hervorragendsten Vertreter des süddeutschen malerischen Barocks, einen Vertrag über die Ausschmückung der Kirche mit Stukkaturen abgeschlossen. Am gleichen Tage wurde auch dessen Bruder, Cosmas Damian Asam, ein ebenso gewandter Maler, in den Dienst des Stiftes gestellt. Die beiden Brüder haben in Einsiedeln beste Proben ihres Könnens hinterlassen. Zu ihnen gesellte sich 1730 ein anderes Brüderpaar, Diego und Carlo Carlone von Sciaria bei Como. Diego schuf die Altäre der Kirche mit Ausnahme der beiden großen beim Eingang (Rosenkranz- und Patroziniumsaltar); Carlo malte für den St. Benedikts- und Meinradsaltar die Altarbilder. Daneben arbeiteten eine Reihe von Vergoldern seit 1725 an der Dekorierung der Kirche. Bildhauer Franz Anton Kuen schuf die Statuen, die die Fassade zieren. Der früher genannte Maler Brandenberg schmückte die Abteikapelle. Daneben fanden fortwährend eine Reihe von Handwerkern, Schreiner, Schlosser, Glaser u. a. m. Beschäftigung. Auch aus andern Klöstern ließ man kunstfertige Laienbrüder kommen, so Br. Josef aus Disentis, der der Schlosserei vorstand, in der die schönen Eisengitter vor den Altären gemacht wurden; so Br. Peter aus dem Stifte St. Gallen und Br. Benedikt Scheffolt aus Schwaben, die in der Glaserei tätig waren. An den Konventgebäuden ließ der Abt durch den Kapuziner P. Thadäus Sonnenuhren entwerfen, die M. Wickart ausführte.
Wie gesagt sollte Abt Thomas die Einweihung der Kirche nicht mehr erleben. Mit Recht aber erglänzt am Chorbogen heute noch sein Wappen, das auch an der Fassade der Stiftskirche jedem von dem großen Bauherrn einer der schönsten Kirchen auf deutschem Boden kündet.
Auch im Kloster Seedorf legte Abt Thomas im Juli 1721 den Grundstein zu einem neuen Konventbau. Im Kloster Fahr wurde von 1730-34 das sogen. Propsteigebäude errichtet. Unter Abt Thomas gab Einsiedeln die Beichtigerstelle im Kloster Münsterlingen 1714 auf, um sie später (im 19. Jahrhundert) nochmals zu übernehmen. An die Stelle von Einsiedeln trat Fischingen. - Das Kloster St. Gallen sah nach dem Tode des Abtes Leodegar Bürgisser die Rückkehr der alten Bewohner. Unter dem am 17. Dezember 1717 gewählten neuen Fürstabt Josef von Rudolfis, bei dessen feierlicher Benediktion, die erst am 24. April 1721 vorgenommen werden konnte, Abt Thomas assistierte, erholte sich das altehrwürdige Stift wiederum.
Für die Herrschaft St. Gerold gelang es, Abt Thomas, der dieses Gebiet unabhängig von der Herrschaft Blumenegg, in der es lag, sehen wollte, von Kaiser Karl VI. den Blutbann zu erwerben (23. August 1718). Am 13. August 1721 wurde das Zeichen der hohen Gerichtsbarkeit, der Galgen feierlich aufgerichtet. In der folgenden Nacht aber brachen Diebe in die Sakristei daselbst ein und raubten sie vollständig aus. Man ist ihrer nie habhaft geworden - ein Hohn auf alle hohe Gerichtsbarkeit.
Für die Entwicklung der Wallfahrt war es von Bedeutung, daß Abt Thomas 1729 den Brauch einführte, jedes Jahr die feierliche Erinnerung an die Einweihung der Gnadenkapelle, wenn auch in engern Rahmen, zu begehen. Bis dahin hatten die Feierlichkeiten nur stattgefunden, wenn der 14. September auf einen Sonntag fiel, dann aber war eine 14tägige Festfeier gefolgt. Dies sollte auch fürder beobachtet werden, daneben aber doch jährlich eine Feier stattfinden. Bei der großen Engelweihfeier von 1721 hatte man 41,000 Kommunionen und 1680 hl. Messen innerhalb der 14 Tage gezählt. Unter den Wallfahrern kam 1717 auch Ludwig von Baden-Baden mit seiner Mutter, der Markgräfin Franziska Sibylla Augusta, von der wir früher schon hörten. Für die hohen Feste schaffte Abt Thomas den prachtvollen Silberornat an, der heute noch zu den größten Zierden der Sakristei gehört.
Als man 1720 mit der Räumung der untern Kirche resp. des Helmhauses begann, stieß man auf den Steinsarg, der die Reliquien der hl. Benno und Reginlinde enthielt. Der Abt ließ die hl. Überreste zunächst in der Schatzkammer versorgen; sie sollten später in der neuen Kirche wieder einen Platz finden. Von den Reliquien der Stiftskirche wünschte sich Papst Innozenz XIII., der als Nuntivis in der Schweiz (1695-97) Einsiedeln persönlich kannte, das Haupt des hl. Eustachius, dessen übriger Leib in der gleichnamigen Kirche des Heiligen in Rom aufbewahrt wurde. Nach der Überlieferung soll dieser Heilige aus dem Geschlechte der Conti, dem der Papst angehörte, stammen. Schon als Nuntius hatte er darum gewünscht, diese Reliquie zu erhalten, war aber nicht durchgedrungen. Als Papst hoffte er sie nun zu erlangen und wohl oder übel mußte das Kapitel seine Zustimmung geben (12. Mai 1722). Da sich die Übersendung aber verzögerte und Innozenz 1724 bereits starb, verblieb die Reliquie in Einsiedeln.
Über aller äußern Tätigkeit vergaß Abt Thomas die Studien nicht; war doch sein ganzes früheres Leben diesen geweiht gewesen. Wir lesen darum auch von ihm: «Literarum studia, scientias praesertim graviores fovit, plurimum coluit Maecenas ipse doctissimus. In Dialecticis nostratium nemo alius illo erat exercitatior; ad captiones in argumentatione, fallaciasque deprehendas solerterque vitandas nemo illo paratior. Extat etiamnum ejus manu scriptorum breve compendium, in quod varias perquisitasque praeceptiones summulisticas adhuc juvenis redegerat; toties a se relectum, ut memoriam indentidem renovandam iuvaret. Professor Theologiae dum esset, novitiorumque simul magister, precationes quasdam pias, ut discipulos suos etiam orare, spiritumque intelligentiae divinitus sperare atque adeo implorate doceret, collegit atque in minimi modi lihellum congestas, typis nostris editas tyronibusque Novitiis omnibus distribuit, antequam ad studia quotidiana se conferent partim, partim ad scolae cuiusque initium mente devota recitandas. Quam audit oribus discipulis dictandam suis composuit Theologiae Summam, Professores alii probarunt; aliisque non semel explicatam praelegerunt.»
Im weitern berichtet derselbe Gewährsmann1010 : «Vir erat religiosissimus, disciplinae regularis constitutorumque servantissimus Psalmodiam officiaque divina (quod ei per valitudinem et Abbatiae principatusque administrationem integram erat) frequentare diligentissime solens, modestia inter psallendum divinaque mysteria fuit plane insigni, et quae imitationem exemplo provocaret. Caeremoniarum in re divina officiisque sacris obeundis, ad apices ferme retinens, ut a suis easdem religiosius observari faceret, non modo monebat saepius, verum etiam synopsim illam brevissimam ipse conscripsit, editamque libello (Vade mecum dicunt) quo sacerdotis ad aram facturi praeparatio continetur, annecti fecit.
Frugalitas in eo cum modestia certabat. Victu parco et facile parabili contentus, vino perquamdiu nullo; postea non nisi aquae temperatione tenuissimo ad postremos usque annos usus est. Animi motos quosvis rationis dominatione ubique egregia moderantem vidissis. - Patientia erat adeo exercitata, ut invectam ferme jam obduruisse haud abs re credidisses; saepe visus lecto gravissime afflictus, articulorum doloribus Chyragra scilicet, podagraque simul ardere; neque tarnen nisi lanea ex regula praescripto ad nudum corpus interula uti. Aequi pacisque cum finitimis studiosissimus, causas in quas jura monasterii tuiturus, descendere coactus fuit, ferme omnes obtinuit.
Corporis habitu grandis, incessu aspectuqo erat gravissimo, et qui reverentiam ab intuentibus facile impetraret, concitaretque. Verecundam gravitatem in suis (praecipue junioribus) amavit gratamque habuit simulacrum mentis compositae exhiberet.»
Abt Thomas erreichte nur ein Alter von 53 Jahren. Er war immer etwas kränklich gewesen und litt vor allem an der Gicht. Er starb den 27. August 1734. Sein Bild befindet sich im Audienzzimmer der Abtei, sowie im Kapitelsaal des Stiftes, ebenso im Saale zu Sonenberg und in der Propstei von St. Gerold. Der erwähnte Pontifikalornat, sowie ein prächtiges Meßgewand tragen sein Wappen. Die Bibliothek, der er seine besondere Aufmerksamkeit zuwandte und die er durch P. Sebastian Reding ordnen und katalogisieren ließ, besitzt ein Ex libris von ihm.

Schriften
a) Gedruckte:
Caeremoniarum Synopsis dem oben erwähnten Vade mecum beigedruckt.
b) Ungedruckte:
1. Breve compendium theologicum (verloren).
2. Precationes piae (ebenfalls verloren).
3. Abtei-Rechnungen 1714-22; 1714-32; 1622-1720. A.TP 15-17.
4. Akten über Wahl und Tod siehe A. XB 2 und 3. - Symian A. GB 5, S. 129-134; 197-198.