Abt Konrad III. von Hohenrechberg (1480 – 1526)


Abtbuch-Eintrag
Konrad III. von Hohenrechberg (1480 bis 1526)764. Konrad war ein Bruderssohn des Abtes Franz und ein Vetter des Abtes Gerold. Er war 1440 geboren und befand sich 1454 bereits im Kloster765. Urkundlich wird er nur 1465 erwähnt, als das Kapitel Geld aufnahm766. Nach der Resignation des Abtes Gerold wurde ihm die Verwaltung der Abtei übertragen (durch wen wird nicht gesagt) . Es ist jedoch zu vermuten, daß, wie es im Resignationsinstrument vorgesehen war, dies durch den Bischof im Einverständnis mit dem Kapitel und den Schwyzern geschah. Der Bischof vereidigte ihn auch, wie wir aus einer spätern Urkunde767 erfahren. Der Bischof benützte diesen Wechsel in der Leitung des Stiftes, um daselbst eine Reform des klösterlichen Lebens zu versuchen. Die Aufnahme von nur Adeligen, die zudem alle miteinander nahe verwandt waren, wie auch die Verarmung und vielfache Bedrängung des Stiftes ließen eine solche wohl dringend notwendig erscheinen. Unterm 13. Dezember 1469 gab der Bischof diese Reformverordnungen heraus, die die Beobachtung der Gelübde und Disziplin, den Gottesdienst und die Verwaltung betrafen768. Die Ernennung eines Dekans und Kustos, die Errichtung eines Gefängnisses für Fehlbare, sowie die vorschriftsgemäßen Abrechnungen mit den Stiftsammännern lassen darauf schließen, daß man Anstrengungen machte, um den Vorschriften nachzukommen. Wegen der Bestimmung, daß nur zwei Schlüssel für den Opferstock in der Gnadenkapelle sein sollten (einen für den Pfleger, den andern für den Konvent), gab es aber Anstände mit Schwyz, das als Vogt ebenfalls einen Schlüssel beanspruchte. Man übertrug die Schlichtung dieser Angelegenheit Abt Ulrich Rösch von St. Gallen, der am 29. März 1470 einen Vergleich zustande brachte, der auch den Schwyzern unter gewissen Bedingungen einen Schlüssel zusprach769. Die Schwyzer selber hatten über einen Streit zu entscheiden, der sich zwischen dem Pfleger und den Waldleuten wegen der Verleihung der sogen. Schweigen, die durch die Resignation des Abtes frei geworden waren, erhoben hatte. Die Entscheidung fiel den 26. August 1471770.
Unter dem Pfleger wurde auch der Wiederaufbau der Kirche, der offenbar nur sehr langsam vor sich ging, weiter geführt. Dabei erscheint Hans Niesenberger aus Graz als Baumeister, der auch am Münster in Freiburg i. Br. und am Mailänderdom tätig war771. Da 1475 und 1477 schwere Hagelschläge in Einsiedeln und am Zürichsee fielen und 1478 und 1481 die Engerlingplage besonders in der March sehr groß war, litten die Stiftsbesitzungen darunter schwer. Das mag auch mitgeholfen haben, daß der Pfleger und Konvent in dieser Zeit vom Stiftsammann Wirz in Uerikon 800 Pfund Haller aufnehmen mußten772.
In Reichenburg suchten die Schwyzer die hohe Gerichtsbarkeit an sich zu ziehen773, doch scheint das Stift sich ablehnend verhalten zu haben; ebenso in einer Grenzstreitigkeit daselbst774. Die Gotteshausleute im Gebiete von Zug hatten wegen der Zuständigkeit der Gerichte mit Zug Anstände, die ein Schiedsgericht den 7. Januar 1480 zugunsten von Zug entschied775. In Eschenz wurde 1471 das Urbarium bereinigt und im März 1478 zugleich mit andern Klöstern eine Zehntbereinigung vorgenommen776. Über Fahr und St. Gerold777 hören wir in dieser Zeit sehr wenig778. Auch auf den Stiftspfarreien trug sich wenig Nennenswertes zu779.
Die Wallfahrt hielt sich auf der frühern Höhe. Unter den Pilgern bemerken wir die Bischöfe von Metz und Speier, den Erzbischof von Besançon, ferner die Gräfin Margaretha von Württemberg und an Ostern 1474 auch Herzog Sigmund von Österreich, der dem Stifte bereits früher die Pfarrei Burg geschenkt und ihm 1472 noch zwei silberne Leuchter und ein Meßbuch, das heute noch vorhanden ist, gab780.
Auch der Selige Bruder Klaus kam der Überlieferung gemäß damals öfters nach Einsiedeln. Ebenso war der berühmte Prediger Geiler von Kaisersberg hier. Neben Pilgern aus Flandern finden wir auch solche aus Ungarn. Im Jahre 1470 wurde die St. Meinradsbruderschaft durch einige Einsiedler Bürger ins Leben gerufen, die sich bald großer Beliebtheit erfreute. Daneben existierte aber schon seit langem die Bruderschaft U. L. Frau781.
Vierzehn Tage nachdem Abt Gerold gestorben, versammelte sich das aus drei Mitgliedern bestehende Stiftskapitel in der Schloßkapelle zu Pfäffikon zur Neuwahl, der der Abt Markus von Rüti und der Dompropst Johannes Hopper v. Chur als Stimmenzähler beiwohnten. Die Wahl fiel auf den damals 40jährigen Pfleger Konrad. Dieser aber hatte keine große Lust, mit der Würde eine Bürde zu übernehmen, die er aus langer Erfahrung nur zu gut kannte. Abt Ulrich Rösch von St. Gallen, die Schwyzer und andere Leute vermochten ihn aber schließlich zu bestimmen, daß er am 10. November Annahme der Wahl erklärte. Er wurde dann feierlich in der Kirche intronisiert782. Der Bischof von Konstanz proklamierte am 8. Dezember die Wahl und bestätigte sie den 15. Januar 1481. Die zu zahlende Taxe wurde auf 650 Gulden festgesetzt, die Konrad den 28. März bezahlte783. Als man aber in Rom von dem Wechsel in der Abtei erfuhr, wollte man auch dort die Annaten einziehen, was der Abt natürlich verweigerte, denn man hatte ja auf die s. Z. gewährte Exemption verzichten müssen. Bischof Otto von Konstanz legte sich in der Folge für Abt Konrad und andere Prälaten, denen es ähnlich ergangen, ins Mittel784.
Auch als Abt hatte Konrad sich viel mit Reibereien und Streitigkeiten abzugeben. In Freienbach verlangten die Kirchgenossen, daß der Abt den Chor und den Turm in Dach und Gemach zu erhalten habe oder dann aber der Pfarrer. Beide lehnten dies ab und blieben dabei, auch als die Schwyzer angerufen wurden. Diese vermittelten den 19. Juli 1483 dahin, daß der Abt für diesmal einen freiwilligen Beitrag geben möge, sonst aber soll er frei sein785. Schwyz half übrigens dem Abt auch in finanzieller Hinsicht, indem man 1482 eine Schuld von 700 Gulden übernahm und bald darauf 400 Goldgulden lieh786. In Ettiswil gab es Anstände wegen der sogen. Seliger'schen Jahrzeit, um deren Beilegung Schultheiß und Rat von Luzern sich bemühten787. An der Pfarrei Einsiedeln waren damals, wie übrigens schon lange, sechs fremde Priester angestellt788. Die verschiedenen Patronatsrechte, die Einsiedeln im Breisgau innehatte (zu Altenkenzingen, Theningen, Endingen, Schelingen, Kenzingen), schenkte man unterm 20. Juli 1483 dem Kloster Ettenheimmünster, dem man am 15. April zuvor alle weltlichen Besitzungen und Rechte, die man noch in Riegel und Umgebung gehabt, um 700 Goldgulden verkauft hatte; dafür verlieh das Stift Ettenheimmünster Abt und Konvent von Einsiedeln die Teilnahme an der Bruderschaft und den guten Werken789. Damit hörten die alten Beziehungen zum Breisgau auf. Auf den übrigen Stiftsbesitzungen fiel nichts Nennenswertes vor790. Auch aus dem Kloster Fahr vernehmen wir sehr wenig791. Die Propstei von St. Gerold hatte der Abt selber inne. Wegen einer angeblich von Abt Gerold noch zugezogenen Schuld kam es dort zu Prozessen, die aber zugunsten des Abtes ausfielen792.
Abt Konrad hielt sich öfters in St. Gerold auf, mit dem Jahre 1490 zog er sich aber für längere Zeit dahin zurück und bestellte in Einsiedeln in der Person des Barnabas von Mosax einen Pfleger (s. Mönche). Der Grund dafür lag offenbar in seiner Stellung zu den Schwyzern, mit denen er sich überworfen hatte. Barnabas erscheint erstmals den 19. Juli 1490 als Pfleger793. Abt Konrad resignierte damit freilich nicht, sondern tritt nach wie vor handelnd auf. Papst Innozenz VIII. beauftragte ihn den 7. Mai 1491, mit den Äbten von Rüti und Fischingen dafür zu sorgen, daß in Rapperswil an Werktagen Amt und Vesper gesungen werde794. Mit den Pröpsten von Zürich und Luzern bestellte ihn Alexander VI. den 28. Juli 1493 zum Verteidiger der kirchlichen Rechte des Klosters Disentis795. Abt Leonhard und der Konvent von Wilten verliehen dem Abt Konrad und seinem Konvent den 17. Juli 1501 die volle Bruderschaft und Teilnahme an allen guten Werken796. Albrecht von Bonstetten hatte dies vermittelt; ebenso verschaffte er in Wilten vom päpstlichen Kardinallegaten, Raimund Peraudi, für Abt Konrad und andere das Privilegium, sich einen beliebigen Beichtvater wählen zu dürfen, der ihnen einmal im Leben und im Augenblick des Todes einen vollkommenen Ablaß gewähren könne797.
Abt Konrad gab auch seine Zustimmung, als sich 1492 die Pfarrei Feusisberg von der in Freienbach lostrennte798. Ebenso unterstützte er die Bitte der Leute in der Stiftsherrschaft Reichenburg, um Bildung einer eigenen Pfarrei. Sie gehörten bis dahin zur Pfarrei Tuggen, die dem Stifte Pfäfers unterstand. Am 15. März 1498 kam die Errichtung einer eigenen Pfarrei zustande. Meinungsverschiedenheiten wegen den nach Tuggen zu leistenden Abgaben half der Abt am folgenden 22. März beilegen799. Von Pfäfers erwarb man 1494, den 25. November, Eigengut, Kirchensatz und Zehnten zu Männedorf, wo man selbst einigen Grundbesitz hatte800.
In Kaltbrunn wurde 1491 eine Kapelle gebaut, an der bald darauf eine Kaplanei errichtet wurde, wozu das Kloster den 28. Mai 1493 seine Zustimmung gab801; die Meßstiftung wurde zwar erst 1500 urkundlich vollzogen802. In Stäfa, wo man die Pflicht hatte, das Chordach zu unterhalten, wollten die Leute dem Stift auch den Unterhalt des Turmhelmes überbinden, was der Pfleger ablehnte; er löste auch die Pflicht, das Chordach zu unterhalten, ab803. Damals (1491) wurde auch der alte Hofrodel erneuert804. Mit dem oben erwähnten Kauf von Männedorf, hatte man auch die dortige Kollatur überkommen. In Meilen hatten die Leute selbst eine neue Kirche gebaut und verlangten nun vom Kloster, daß es auch den Chor neu erstelle. Als der Pfleger sich dessen weigerte, kam die Sache vor den Bürgermeister und Rat von Zürich, deren Schiedsspruch dahinging, daß für diesmal die Leute den Chor selber bauen sollten, dagegen übernimmt das Stift inskünftig den Unterhalt des Chordaches und schenkt den Pfarreiangehörigen eine Juchart Rehen, 60 Eimer Wein und ein Fenster in den Chor805. In Brütten mußte man sich mit Hilfe des Rats von Zürich gegen einen römischen Pfründenjäger wehren806. Auf der Insel Werd wurde 1496 das dortige St. Otmarsheiligtum erneuert. In Einsiedeln selbst war zwischen dem Leutpriester und den Waldleuten ein Streit wegen dem Pfarrzehnten ausgebrochen. Abt und Pfleger vermittelten807.
Wie es scheint, hatte sich Abt Konrad das Kammeramt, zu dem Eschenz gehörte, vorbehalten. Dort fielen unter ihm eine Reihe von Geschäften vor. So kaufte er von Melchior von Hohenlandenberg zu Neuenburg dessen Zehnten im Eschenzergericht808. Von Heinrich von Boswil erwarb er den Einsiedler Lehenhof Windhausen um 225 Gulden zurück809, auf den aber bald das Rückkaufsrecht geltend gemacht wurde. Das Meieramt daselbst, das Abt Gerold erworben, wurde unterm 1. April 1493 durch Jakob Muntprat zurückgekauft810.
Im Kloster Fahr wurden gegenEnde des 15. Jahrhunderts an der Kirche größere bauliche Veränderungen vorgenommen. Übrigens hatte auch hier, ähnlich wie in Einsiedeln, das gemeinsame Leben aufgehört. Die Klosterfrauen führten eigenen Haushalt und hatten ihre eigenen Dienstmägde. Über die Einkünfte wurde um diese Zeit ein neues Urbar aufgenommen811.
In St. Gerold selber, wohin sich der Abt zurückgezogen hatte, gab es für ihn wenig Ruhe. Über die Pfarrei Schnifis hatte Einsiedeln seit 1340 das halbe Patronatsrecht; nun aber beanspruchten die Inhaber der andern Hälfte, die Thumb von Neuburg, das ganze. Abt Konrad ließ durch Papst Innozenz VIII. den 1340 vor sich gegangenen Kauf durch eine Bulle als rechtskräftig erklären812, drang aber offenbar mit seiner Forderung nicht durch, denn die Rechtsnachfolger der Thumb, die Grafen von Hohenems übten später das Patronatsrecht allein aus, bis Kaspar von Hohenems 1605 seinen Teil dem Stift schenkte. Die in Montavon ansässigen Gotteshausleute von St. Gerold wurden dorthin zum Steuern angehalten, wessen sie sich aber weigerten; den 7. November 1494 trafen die Parteien ein Übereinkommen, durch das die Sache geregelt wurde813. Besondern Verdruß brachte dem Abte der sogen, große Walserprozeß, in dem es sich um die Nachkommen jener freien Walser handelte, die sich mit Gotteshausleuten verehlicht hatten. Das Stift sprach sie für sich an, während Sigmund von Brandis, Herr von Blumenegg und Vogt von St. Gerold, deren Teilung verlangte. Ein von Bürgermeister und Rat in Konstanz bestelltes Schiedsgericht sprach sich am 19. August 1497 zu Gunsten der Propstei aus814. Andere strittige Punkte wurden den 10. und 17. Januar 1498 durch ein weiteres Schiedsgericht geregelt815. Der von Brandis wußte aber in der Folge die freien Walser zu bestimmen, sich ihm zu eigen zu geben, wodurch der Spruch von 1497, der die Propstei über 300 Gulden gekostet hatte, illusorisch wurde.
Diese Vorgänge mögen bewirkt haben, daß Abt Konrad der Verwaltung von St. Gerold überdrüssig wurde. Er übertrug sie darum den 29. März 1498 dem Pfleger Barnabas von Mosax816, unter der Bedingung, daß ihm der Pfleger jährlich 100 Gulden ausrichte. Doch behielt der Pfleger auch die Verwaltung von Einsiedeln bei; er nannte sich inskünftig: Pfleger von Einsiedeln und Propst von St. Gerold. Am 23. April 1498 verließ der Abt die Propstei, nachdem zuvor ein Inventar seiner Hinterlassenschaft aufgenommen worden war817. Indessen starb Barnabas von Mosax bereits den 31. August 1501 zu Einsiedeln und so blieb dem Abte nichts anderes übrig, als selber wieder die Verwaltung von Einsiedeln, wie die von St. Gerold zu übernehmen.
In Einsiedeln erwarb sich Abt Konrad den 10. Januar 1503 das Gut im Sihltal818 vom Schwyzer Landammann Hans Wagner um 2300 Pfund Zürcher Haller, die er als väterliches Erbe erhalten hatte. Er benützte dieses Gut hauptsächlich für die Pferdezucht, über die wir in der damaligen Zeit nähern Aufschluß erhalten819. Freilich konnte sich der Abt nicht lediglich seinen Liebhabereien widmen. Bischof Hugo von Konstanz suchte nämlich die Rechte des Stiftes zu beeinträchtigen. Dagegen wandte sich der Abt an die Eidgenossen und diese hinwiederum verwandten sich in Rom, wo Julius II. am 20. Dezember 1512 dem Stifte die Exemption von der Gerichtsbarkeit und allen Abgaben nach Konstanz aussprach820. Kurz darauf, den 2. Januar 1513 bestätigte der Papst auch den sogen. Engelweihablaß821. Julius II. nahm auch sonst die Dienste des Abtes in Anspruch; so wurde er 1510 von ihm zum Schiedsrichter in einem Streit der Leute von Ingenbohl gegen die Geistlichen in Schwyz bestellt822; den 20. Dezember 1512 wurde er mit den Äbten von St. Gallen und Salem zum Defensor des Stiftes Kreuzlingen ernannt und am 8. Januar 1513 zugleich mit dem Propst von Zürich und dem Offizial von Konstanz zum Schützer des den Orten Uri, Luzern, Zug und Glarus bestätigten Nominations- und Präsentationsrechtes für kirchliche Pfründen823. Der Nachfolger Julius II., Leo X., richtete an den Abt unterm 13. Juli 1513 ein eigenes Lobbreve, wegen seiner Treue und Ergebenheit dem römischen Stuhle gegenüber824.
Einen schweren Schlag für den alternden Abt brachte das Jahr 1509, wo am 3. oder 9. März im Dorf eine Feuersbrunst ausbrach, die einen Teil des Dorfes und Klosters, darunter das Münster, in Asche legte. Obwohl viel milde Brandsteuer floß, mußte der Abt doch Geld aufnehmen, um nur die notdürftigsten Reparaturen vornehmen zu können. So nahm man von Hans von Siengen in Bremgarten 500 Goldgulden, von Heinrich Uttinger in Zug 600 Goldgulden und von Ülin Suter 220 Pfund Haller auf825; den Zehnten zu Hergiswil verkaufte man um 330 Gulden.
Die Wallfahrt hielt auch in diesen Zeiten an, wenn wir auch nichts außerordentliches darüber berichtet finden826. Für jene Schweizersöldner, die gegen den Papst gekämpft, verwandte sich der Abt bei Julius II., um für sie die Absolutionsvollmachten zu erhalten, was am 3. Januar 1513 bewilligt wurde; Leo X. dehnte diese Vollmachten den 5. Mai 1515 auch auf die deutschen Landsknechte aus827. Wir hören in dieser Zeit aber auch erstmals von Mißbrauch der Wallfahrt828. Rom war indessen nicht nur mit Gnadenbewilligungen bei der Hand, es verfügte gerade in dieser Zeit in erhöhtem Maße über die Stiftspfarreien, die es sogen. Pfründenjägern anwies829.
Die Hofrechte von Einsiedeln und Erlenbach wurden um diese Zeit erneuert und erläutert; auch jenes zu Brütten wurde damals aufgezeichnet. Wegen der Zehntpflicht in Lengnau, Aargau, setzte es längere Streitigkeiten ab, über die am 19. Juli 1513 ein gütlicher Vergleich zustande kam830. Für die Rechte der Untertanen in Reichenburg, die von Schwyz aus öfters als ihnen lieb war, zu Kriegszügen aufgeboten wurden, setzte sich der Abt ein; doch ist nicht bekannt, mit welchem Erfolg831.
Im Gotteshaus Fahr erscheint um diese Zeit unter der rührigen Meisterin Veronika Schwarzmurer wiederum das eigene Konventsiegel, ein Zeichen, daß sich der dortige Konvent wieder größerer Selbständigkeit erfreute. Das mag natürlich auch damit zusammenhängen, daß sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts dort kein Propst mehr nachweisen läßt832. Die Propstei über St. Gerold übertrug der Abt, da die bisherigen Vögte von Brandis ausstarben, den 15. April 1508 dem Schwestersohn der letzten Inhaber, dem Grafen Rudolf von Sulz im Klettgau, bei dessen Familie sie bis 1614 blieb833. Bei diesem Anlaß wurde das Urbar des Vogtrechtes neu bestellt. Da der Abt die Verwaltung der Propstei nicht selber führen konnte und dazu auch keine Konventualen mehr vorhanden waren, so übertrug er deren Besorgung dem Georg von Roten, einem Benediktiner aus einem unbekannten Stift, mit dessen Amtsführung er aber nicht sonderlich einverstanden war834. An der Propsteikirche wurde 1503 die St. Geroldsbruderschaft errichtet.
Immer mehr zeigte es sich, daß der alternde Abt der Führung der Geschäfte nicht mehr recht gewachsen war; zudem kränkelte er, weshalb er die Bäder im Wallis aufsuchen mußte. Er wandte sich darum im Herbst 1513 nach Schwyz an die Schirmherren mit der Bitte, sie möchten zusehen und dem Gotteshaus einen Verwalter bestellen. Die jährlichen Zinsen beliefen sich damals auf 368 Gulden. Man einigte sich auf den Konventualen Diebold von Geroldseck. Dem Abte wurde durch einen Vertrag vom 18. Dezember 1513 eine jährliche Pension von 240 Gulden von der Propstei und Eschenz zugesprochen; ferner durfte er einige Güter des Stiftes samt Pferden und Rindvieh behalten resp. ankaufen. Die Keller und Häuser des Stiftes standen ihm zu Gebote835. Möglicherweise dachte der Abt daran, sich ins nahe Sihltal zurückzuziehen.
So kam der Abt ein zweites Mal von der Verwaltung weg. Er führte in den Jahren 1514 und 1515 Diebold in die Verwaltung ein und ließ ihm die Leute schwören. Er zerbrach auch sein großes Abteisiegel, behielt aber sein Privatsiegel bei, mit dem er noch manche Privatgeschäfte erledigte. Der Pfleger nahm den Wiederaufbau der immer noch arg vernachlässigten Gotteshaus- und Münsterbauten in Angriff. Dem Konstanzerbischof gegenüber hatte er um den Besitz der Exemptionsfreiheit zu ringen, die schließlich durch Bulle Leo X. vom 10. Dezember 1518 auf alle Zukunft ausgedehnt wurde836. Von großer Tragweite war die durch den Pfleger am 14. April 1516 vorgenommene Übertragung der Leutpriesterstelle in Einsiedeln an Ulrich Zwingli837. Bei der großen Freundschaft Geroldsecks mit Zwingli kann es nicht überraschen, daß auch auf andern Stiftspfarreien Leute gleicher Richtung hinkamen und infolgedessen der kommenden Glaubensumwälzung dort Tür und Tor geöffnet wurde. In Einsiedeln selber folgte auf Zwingli, der an Neujahr 1519 nach Zürich kam, zuerst Leo Jud, dann Johannes Öchslin (Bovillanus), der gleichzeitig noch die Pfarrei Burg innehatte. Die Pfarrei Freienbach hatte Franz Zingg inne, der sie aber durch Stellvertreter versehen ließ; auf der Ufnau war Hans Klarer, bei dem Ende August 1523 Ulrich von Hütten sein Leben beschloß; in Meilen war Hilarius Kerner, in Weiningen Georg Stähelin, in Schwerzenbach zunächst Hans Klarer, dann Jakob Keiser, den die Schwyzer 1529 verbrannten. All dies waren oder wurden Anhänger Zwingiis und halfen mit, die neue Lehre in den Stiftspfarreien, besonders im Zürchergebiet, einführen838. Daß die Wallfahrt durch die Ereignisse, die sich vorbereiteten, auch beeinflußt wurde, ist begreiflich. Auf der Engelweihe von 1522 erschien auch Zwingli als Prediger. Er und andere griffen um diese Zeit stark das Wallfahren an. Zürich stellte 1524, Glarus 1525 die Landeswallfahrt ein; an letzterem Ort hielten später die katholisch gebliebenen Gemeinden den Brauch aufrecht.
Wie weit Abt Konrad um diese Vorgänge wußte, muß dahingestellt bleiben. Er befaßte sich vorab mit der Pferdezucht, wie wir aus gelegentlichen Berichten erfahren839. In Eschenz, das er sich selber vorbehalten hatte, bestellte er zu seinem Schaffner, den damaligen Pfarrer von Burg, Johannes Öchslin840. St. Gerold hingegen verwaltete Diebold. In Fahr begann bald die Neuerung einzuschleichen; die Klosterfrauen verließen nach und nach das Kloster und kehrten meist zu ihren Angehörigen in Zürich zurück.
Eine letzte herbe Prüfung sollte bald über den greisen Abt kommen. Sein Pfleger, Diebold, überwarf sich mit den Schwyzern. Sie waren jedenfalls mit seiner Verwaltung, für die er sich selber wenig geeignet fand, unzufrieden, vor allem aber konnten sie seine Freundschaft mit Zwingli nicht billigen, zu dessen schärfsten Gegner die Schwyzer bald nach seinem öffentlichen Auftreten gegen die alte Kirche, auf der Zürcher Disputation im Januar 1523, gehörten. Die Dinge spitzten sich allmählich so zu, daß die Schwyzer ihn zur Niederlegung seines Amtes bewogen. Noch ehe die Sache ganz bereinigt war, verließ Diebold im Frühjahr 1525 das Stift und ging zunächst zu seinen Brüdern in Schwaben. Bei seinem Weggang übergab er den Gotteshausleuten das große Konventsiegel, die Freiheitsbriefe des Klosters und eine Erklärung, in der er die Gründe für seinen Weggang darlegte841.
So war Abt Konrad allein noch übrig. Von den beiden Konventualen, die ihn einst gewählt, war Barnabas von Mosax 1501 gestorben und Albrecht von Bonstetten, dieser bekannte Humanist, der den literarischen Ruf Einsiedelns noch hoch hielt, in einer Zeit, wo alles im Niedergang begriffen war, folgte ihm bald im Tode nach. Im Jahre 1498 hatte sich Johann Baptist von Mosax zur Aufnahme gemeldet, ein Neffe des Barnabas von Mosax, der aber 1509 das Kloster verließ und bald darauf starb. Um 1499 war noch Diebold von Geroldseck gekommen, der einen ähnlichen Ausgang nehmen sollte842.
Der Abt war mit seinen 86 Jahren nicht mehr in der Lage, die Geschäfte zu führen. Darum bestellten die Schwyzer am 20. Januar 1526 ihren Ratsherr und Altvogt von Einsiedeln, Martin von Kriens, zum Schaffner des Gotteshauses843. Am 20. Juli 1526 verzichtete sodann der Abt in seiner Abteiwohnung wegen seines hohen Alters auf die Abtei in die Hände von Landammann und Rat zu Schwyz844. Die Schwyzer holten alsdann am 8. August den St. Gallerkonventualen Ludwig Blarer von Wartensee und setzten ihn am 14. August in den Besitz der Abtei, ohne sich weiter viel um kirchliche Formen und Normen zu kümmern. Abt Konrad überlebte dies nicht mehr lange. Er starb den 1. September 1526 und wurde in der «Prälaten Begräbnis» beigesetzt.
Die religiöse Gesinnung dieses Abtes ist wohl mit Unrecht in Zweifel gezogen worden; im übrigen war er ein Kind seiner Zeit. Seine Vorliebe für Pferde und auch für die Jagd wird man kaum abstreiten können845.
Von Abt Konrad haben sich eine Reihe von Siegeln erhalten. Als Pfleger führte er ein kleines Rundsiegel, das nur den Wappenschild der Hohenrechberg mit den beiden Löwen, sowie die Legende: . . . . . radus de. rechberg. administrator» aufwies846. Als er nach 1490 in St. Gerold weilte, wies das Propsteisiegel das stehende Bild des hl. Gerold (fälschlich mit Stab) und unten das Wappen der Rechberg auf. Die Umschrift lautete: «S. sanctus geroldvs»847. Als Abt hatte er zwei Siegel. Das spitzovale von 1480 zeigt unter reichem gotischem Baldachin einen sitzenden und segnenden Abt, unter Seitenbaldachinen die Wappen des Abtes und Klosters. Die Umschrift ist nicht mehr ganz erhalten und schwer zu lesen848. Das zweite Abteisiegel, das schon 1482 erscheint, ist ein Rundsiegel und zeigt neben dem Pedum die Wappen des Klosters und Abtes. Die auf einem Band angebrachte Umschrift lautet: «S. coradi d' hochenrechberg abbat, loci hemita»849. Nachdem Diebold Pfleger geworden, brauchte er nur mehr sein rundes Privatsiegel, das das Familienwappen und die Umschrift: «HER CONRAT VO HOHEN ...» aufwies850.
Von Abt Konrad haben sich auch noch drei Wappenscheiben erhalten; zwei davon befinden sich im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich851, während die dritte in Basler Privatbesitz ist852. Es ist wohl kein Zufall, daß auf zweien dieser Scheiben sich eine Jagdszene befindet.
Aus der Regierungszeit dieses Abtes haben wir auch die ersten Abbildungen des Stiftes und zwar in der Diebold Schillingschen Chronik in Luzern853.

Professbucheintrag