Abt Heinrich II. von Güttingen (1280 – 1299)


Abtbuch-Eintrag
Heinrich II. von Güttingen (1280-99)297. Heinrich II. ist der erste Abt, dessen Geschlechtsname in gleichzeitigen Urkunden genannt wird298. Das Freiherrengeschlecht derer von Güttingen hatte seine Stammburg beim gleichnamigen Dorfe im Kanton Thurgau. Rudolf von Güttingen war seit 1220 Abt in St. Gallen gewesen und wurde 1223 Bischof von Chur. Ebenso war Ulrich von 1272-77 Abt von St. Gallen, während sein Bruder, Albrecht, Propst daselbst war299. Heinrichs Mutter soll nach Bonstetten eine Gräfin von Nellenburg gewesen sein300.
Mit dem Bericht über den Antritt der Regierung dieses Abtes im Jahre 1280 schließen die Annales Einsidlenses301.
Von großer Bedeutung für die weitere Geschichte des Stiftes war, daß unter diesem Abte die Vogtei über das Gotteshaus an die Habsburger überging. Der oben erwähnte junge Graf von Rapperswil starb bereits den 15. Januar 1283. Da seine Schwester resp. deren Gemahl, Ludwig von Homberg, nicht um die Lehen einkam, übertrug sie der Abt seinem eigenen Bruder, Rudolf von Güttingen. Damit war aber König Rudolf nicht einverstanden, denn die Erwerbung dieser Vogtei paßte vorzüglich zu seinen Plänen, mit denen er sich gegenüber den Waldstätten trug. Er ließ darum die Lehen, die an und für sich nur in männlicher Linie sich vererben konnten, durch Wetzel den Schultheißen von Winterthur, zu Händen des Königs einziehen. Rudolf von Güttingen wurde mit einer Geldsumme abgefunden. Nun wollte aber der Hornberger sich die Lehen nicht entgehen lassen. Es erhob sich deshalb zwischen ihm und dem König ein großer Zwist, unter dem auch das Stift zu leiden hatte, das durch den Schultheißen von Winterthur, Dietrich, sogar überfallen wurde. Dieser zog sich deshalb die Exkommunikation zu, deren Ausführung durch Abt Heinrich 1288 im Auftrage des Bischofs Rudolf von Konstanz und des Königs selbst dem Pfarrvikar auf der Ufnau übertragen wurde302. Als Graf Ludwig von Homberg aber den 27. April 1289 gestorben war, übertrug der König seiner Witwe Elisabeth auf deren Bitten die Höfe Stäfa, Erlenbach, Pfäffikon und Wollerau, dazu noch die Pfäfers gehörenden Höfe zu Männedorf und Tuggen. Die übrigen Höfe und die Vogtei blieben aber bei den Herzögen von Österreich.
Dieser Übergang der Vogtei an die Habsburger hatte für das Stift die weittragendsten Folgen; denn als um diese Zeit der Marchenstreit wieder auflebte, nahm dieser ganz neue Formen an. War er in seinem frühern Verlauf ein wirtschaftliches Ringen gewesen, in welchem das rasch anwachsende Volk der Schwyzer nach neuen Gebieten sich umsehen mußte, so bekam er nun rein politischen Charakter. Im Kloster wollten die Schwyzer vor allem dessen Vögte, die Habsburger, treffen. Allem Anscheine nach brach der Streit allerdings schon vor 1283 aus, denn wir besitzen eine Bulle Papst Martin IV. vom 1. Juni 1282303, worin dieser auf die Klage des Stiftes hin, daß es von einigen vielen Schaden zu erleiden habe, den Abt von Pfäfers beauftragt, gegen diese vorzugehen. Der Klagerodel von 1311 (s.u.) meldet denn auch, daß unter Abt Heinrich ein Überfall vorgekommen sei. Sonst erfahren wir allerdings nichts weiteres. Neuere Forschungen haben indessen dargetan, daß die große Freiheitsbewegung der Drei Länder in die letzten Regierungsjahre Rudolf I. zu verlegen sei304. Darum sind solche Feindseligkeiten, auch wenn wir sonst weiter nichts erfahren, nicht ausgeschlossen. Papst Nikolaus IV. bestätigte den 23. August 1290 die Freiheiten und Immunitäten des Stiftes.
Überhaupt hatte Abt Heinrich viele Sorgen um das ihm anvertraute Gut. Die Gräfin Elisabeth von Homberg-Rapperswil erhob Ansprüche auf die Höfe in Brütten und Finstersee, verzichtete aber den 20. November 1293 auf ihre Ansprüche305. Mehrfach tauschte er Gotteshausgüter306. Für den Hof Eschenz ließ er den 16. Januar 1290 ein Hofrecht aufstellen307 und ein Verzeichnis der Einkünfte daselbst anlegen; ebensolche Verzeichnisse wurden für den Hof Riegel und wohl auch für Brütten, Walahusin und Winterberg erstellt308. 1289, den 19. Oktober, gingen der Abt und andere kirchliche Würdenträger mit Konstanz einen Vertrag ein über die jährlich zu leistende Quart, eine Abgabe von den Pfarrkirchen resp. deren Zehnten309.
Eine Reihe von Urkunden aus der Zeil dieses Abtes beschlagen die Vogteien über einzelne Güter, denn das Vogteiwesen war bereits so entartet, daß einzelne Güter und Eigenleute ihre eigenen Vögte hatten310. Ebenso gaben die Eigenleute viel zu schaffen311.
Auch die Vogtei über das Kloster Fahr wechselte damals ihren Inhaber. Ulrich I. von Neu-Regensberg, dessen Familie dem finanziellen Ruin entgegenging, verkaufte sie um 200 Mark seinem Oheim, Bischof Rudolf von Konstanz; der Sohn, Lütold VIII. kaufte sie aber um die gleiche Summe wieder zurück312. Derselbe Lütold verkaufte dem Kloster Fahr einen Hof in Obersteinmauer. Um diese Zeit wurde wahrscheinlich auch das Hofrecht von Fahr niedergeschrieben, das freilich nur mehr in einer Kopie aus dem Jahre 1660 sich erhalten hat313.
Für die St. Gangulphskapelle erwirkte Abt Heinrich 1288 einen Ablaßbrief von zwei Erzbischöfen und zehn Bischöfen, die sich am päpstlichen Hofe in Rieti befanden314.
Dem Liber Heremi315 zufolge starb Abt Heinrich II. in Pfäffikon 1298: auch Bonstetten316 gibt dieses Jahr an. während eine Glosse den 6. November als Todestag beifügt. Das Totenbuch der Abtei Zürich aber gibt den 19. April an. während das Nekrologium der Propstei Zürich den l9. April 1299 hat317. Da sein Nachfolger, Johannes I., bereits den 28. Februar 1299 urkundlich erscheint, nimmt Ringholz an, daß Abt Heinrich kurz vorher resigniert hätte. Es kann aber auch in den Zürcher Angaben ein Fehler vorliegen.
Das Siegel dieses Abtes ist spitzoval und weist einen sitzenden Abt mit Buch und Stab auf. Die Legende lautet: «† S. HEINR. DEI GRA ABBATIS MON. HEREMITARVM»318.

Professbucheintrag