Abt Anselm von Schwanden (1233 – 1266)


Abtbuch-Eintrag
Anselm von Schwanden (1234-66)229. Nach der Resignation des Abtes Konrad wurde Anselm zum Abte gewählt230. Nach dem Liber Heremi231 und Bonstetten232 gehörte er dem Geschlechte der Freiherren von Schwanden an. Doch hat dieses Geschlecht nichts mit Schwanden im Kanton Glarus zu tun, wie Bonstetten irrigerweise angibt, sondern es hatte seinen Sitz in der Pfarrei Schupfen, Bezirk Aarberg (Kt. Bern). Auch ein noch erhaltenes Epitaphium aus dem 14. Jahrhundert bezeugt diese Abstammung233.
Über die ersten Regierungsjahre dieses Abtes fehlt jede Nachricht. Er erscheint urkundlich erstmals den 25. Januar 1239 anläßlich eines Gütertausches mit der Abtei Kappel234. Zehn Jahre später bestätigt er einen Verkauf des Einsiedler Ministerialen, Ritter Heinrich von Brütten und seiner Söhne, an das Kloster Frauenthal235. Desgleichen bestätigte er 1251 eine Schenkung des Rüdiger Manesse an die Fraumünsterabtei Zürich, der dagegen dem Stifte einige Güter gab, die er aber wieder als Lehen empfing236. Dem Antonius von Rapperswil verliehen Abt und Konvent den 26. Januar 1252 den Zehnten in der Pfarrei Meilen237. Auch sonst sind aus der Zeit dieses Abtes noch eine Reihe von Lehengeschäften bezeugt, die aber von untergeordneter Bedeutung sind238. Andere Geschäfte beschlagen Leibeigene239. Freiherr Rudolf von Wädenswil, dessen Geschlecht mit ihm ausstarb, gab den 11. Februar 1259 gegen eine Entschädigung von 63 Mark den Weinzehnten zu Meilen an das Stift zurück240. Auch das Grafengeschlecht von Rapperswil drohte auszusterben. Abt Anselm stand zum damaligen Grafen Rudolf in gutem Verhältnis; denn er erscheint mehrfach als Zeuge in Urkunden des Grafen, so bei der Lostrennung der Kirche von Rapperswil von jener in Wurmsbach241, bei der Stiftung des Klosters Wurmsbach242 und anläßlich einer Stiftung an dieses Kloster243. Da er keinen männlichen Erben hatte, wollte der Graf, daß die Vogtei, die er über die Stiftsbesitzungen außerhalb des Etzels zu Lehen trug, seiner Gemahlin Mechtild zunächst als Leibgeding, dann aber seiner Tochter Elisabeth zufallen sollte. Abt Anselm gestand dies am 10. Januar 1261 zu244. Da aber Rudolf nach seinem Tode, den 27. Juli 1262, noch ein Sohn geboren ward, wurde der Vertrag hinfällig.
Mehrfach hatte der Abt für die Sicherheit der Stiftsbesitzungen sich zu wehren; so als Wernher von Hornberg (Baden) die Güter im Breisgau schwer schädigte. Auf Bitten des Abtes belegte der Bischof von Konstanz den Frevler mit dem Banne und beauftragte Innozenz IV. den 6. März 1245, die Chorherren Otto und Rudolf Manesse und Rudolf Thya in Zürich über die Ausführung dieser Maßregeln zu wachen245. Der Ausgang der Sache ist unbekannt. Ebenso mußte er für die Güter in Riegel gegenüber den Vögten Rudolf und Hesso von Uesenberg auftreten246. Die Stiftsgüter in Sierenz im Elsaß, die unter Abt Anselm erstmals erwähnt werden - Bischof Adalbero von Basel und Ita, Tochter der Herzogin Reginlinde aus zweiter Ehe, sollen sie geschenkt haben247 - drohten zum Teil entfremdet zu werden. Der Abt wahrte hier seine Rechte248 ebenso wie in einem andern Falle gegenüber dem Kloster Töß249. Die Güter im heutigen Kanton St. Gallen griff Friedrich II. von Toggenburg an, weshalb der Abt ihn den 7. April 1261 veranlaßte, Schadenersatz zu leisten250.
Vielleicht mögen gerade die Angriffe des Toggenburgers den Abt bestimmt haben, in Pfäffikon den heute noch stehenden festen Turm zu bauen251. Dem gleichen Gewährsmann zufolge baute er auch den Einsiedlerhof in Zürich, wahrscheinlich schon vor 1240, da in einer Lehensurkunde dieses Jahres bestimmt wird, daß der Zins in der Stadt Zürich zu entrichten sei252. In einer Urkunde vom 3. Mai 1253 erscheint auch als Zeuge ein gewisser Heinrich, Schaffner von Einsiedeln, der wohl auf diesem Hause saß253. Ob Abt Anselm bereits ein Burgrecht mit Zürich einging, steht nicht fest.
Ähnlich wie seine Vorgänger wurde auch Abt Anselm vom päpstlichen Stuhle in Anspruch genommen. Innozenz IV. hatte die Abtei Rheinau zunächst Bischof Heinrich von Konstanz und nach dessen baldigem Tod (1248) Abt Berchtold von St. Gallen übertragen. Abt Anselm wurde nun den 7. September 1248 angewiesen, darüber zu wachen, daß die Mönche von Rheinau dem neuen Abte gehorchten. Nicht ohne Schwierigkeiten gelang es unserm Abt, den St. Galler Prälaten in Rheinau einzuführen; eine neue Bulle erging im gleichen Sinne den 30. Mai 1250. Trotzdem Rom in dieser Angelegenheit noch weitere Schritte unternahm, erhob auch der neue Bischof von Konstanz, Eberhard II. Ansprüche auf Rheinau, sodaß es in der Folge zu einem eigentlichen Kriege zwischen den beiden Kirchenfürsten kam254. Ein ähnlicher Streit brach wegen dem Kloster auf der Reichenau aus, dessen Abt, Burkard von Hohenhewen, eine arge Mißwirtschaft führte. Abt Anselm wurde darum nebst den Äbten von Neuweiler und Ottobeuren mit dem Untersuch der Sache betraut255. Auch diese Abtei wurde vom Papst dem Abte von St. Gallen zur Verwaltung übertragen, der laut päpstlichem Befehl vom 7. März 1258 den Abt Anselm beim Untersuch unterstützen sollte. Auch hier griff der Bischof von Konstanz ein, bis man schließlich darin eine Lösung fand, daß die Abtei einem Vetter des St. Galler Abtes, Albrecht von Ramstein, übertragen wurde256.
Die Vorgänge in Rheinau und Reichenau hängen zusammen mit den großen Kämpfen Friedrichs II. gegen das Papsttum. Einsiedeln sollte davon insofern direkt berührt werden, als es auch vom Interdikte betroffen wurde, das über die Gebiete des Kaisers resp. seines Stellvertreters in Deutschland, Konrad IV., verhängt wurde. Man kümmerte sich aber offenbar wenig darum, denn der Papst verpflichtete den 10. Juni 1247 Bischof Heinrich von Konstanz, die Äbte seiner Diözese zur Beobachtung des Interdiktes anzuhalten. Einsiedeln wandte sich auf dies hin an Innozenz IV., um von ihm das Privileg zu erhalten, das Interdikt in milderer Form beobachten zu können. Unter dem 16. Dezember 1248 gewährte dies der Papst257. Eine weitere Gunst gewährte Innozenz IV. dem Abte mit Bulle vom 23. Mai 1250, durch die das Stift von der Verpflichtung entbunden wurde, kirchliche Pfründen an solche zu verleihen, die vom Apostolischen Stuhl oder dessen Legaten mit solchen bedacht worden waren. Der Propst von Interlaken wurde unterm 31. August 1250 beauftragt, das Stift in dieser Hinsicht zu schützen258. Dieses Bittgesuch Einsiedelns wird umso verständlicher, wenn man erfährt, daß innert wenigen Jahren dem Stifte fünf solcher Pfründenjäger präsentiert wurden259. Auch in der Folge erwies sich Innozenz dem Stifte günstig gesinnt, indem er den 11. August 1250 den Besuchern der Kirche zu Einsiedeln für gewisse Feste einen Ablaß bewilligte260 und indem er am 16. Februar 1251 dem Abte auf Lebzeiten das Privilegium verlieh, Ring und Mitra zu gebrauchen261.
Abt Anselm erscheint urkundlich das letzte Mal den 14. Juli 1266, wie er und sein Konvent dem Kloster Wettingen einen Mahsus zu Killwangen vergabten262.
Abt Anselm starb den 30. Dezember 1266263. Die Fragmenta Necrologii264 vermerken den Dezember und der Liber Heremi265 gibt den 30. Dezember an.
Abt Anselm besaß zwei Siegel. Das eine, das uns erstmals an der Urkunde für Wettingen vom 26. Mai 1240266 begegnet, ist spitzoval (53 X 36 mm) und zeigt einen sitzenden Abt mit Stab; die Umschrift lautet: «† ANSHELMVS DEI GRA (ABBAS) HEREMITARVM». Das zweite erscheint erstmals den 12. Mai 1249, als der Abt bei der Verleihung des Patronatsrechtes über die Kirche Baar durch Ulrich von Schnabelburg an das Kloster Kappel als Zeuge zugegen war267. Es ist ebenfalls spitzoval (63 X 38 mm) und weist einen sitzenden Abt mit Stab und Buch auf. Die Umschrift lautet: «† S. ANSHELMI DEI GRA ABBATIS HEREMITARVM»268.
Unter Abt Anselm erscheint auch erstmals das Konventsiegel, das 1239 in einer Urkunde erwähnt wird269 und sich an einer Urkunde von 1249 erhalten hat270. Der Originalstempel befindet sich heute noch im Stiftsarchiv Einsiedeln. Er zeigt in spitzovalem Siegelfeld (74 X 48 mm) die sitzende Madonna, die in der Rechten ein Lilienszepter, in der Linken das sitzende Jesuskind hält. Die Umschrift lautet: «† SIGILLVM CONVENTVS HEREMITARVM». Das Erscheinen des Konventsiegels ist ein Zeugnis dafür, daß der Konvent neben dem Abt eine gesonderte rechtliche Stellung einzunehmen beginnt271. Nach Ringholz hätte das heutige Amseltal (bei Groß) seinen Namen von unserem Abte her272.

Professbucheintrag